Herzlich Willkommen!
Agile Organisationen - Denn die Welt verändert sich!

Führung in der Agilen Welt

Warum die klassische Frage nach dem „richtigen“ Führungsstil heute nicht mehr reicht – und was agile Teams wirklich brauchen.


 

Führung. Kaum ein Begriff wird so oft diskutiert – und so oft missverstanden. Zwischen den Extremen des Laissez-faire-Stils, wo Führung praktisch nicht stattfindet, und dem hierarchisch-strengen Führungsmodell, bei dem Entscheidungen zentral und top-down gefällt werden, pendelt die Suche nach dem „richtigen“ Stil. Doch in einer zunehmend agilen Welt greift diese Diskussion zu kurz.


Führung als Pendelbewegung?
In vielen Organisationen erleben Teams ein Hin- und Herpendeln: Mal wird Führung nahezu abgeschafft – alle sollen selbstorganisiert arbeiten, Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen. Dann wieder wird nach Klarheit, Struktur und Führung gerufen. Die Sehnsucht nach Orientierung bleibt – ebenso wie die Angst vor Überregulierung.
Doch dieses Pendeldenken führt in die Irre. Die Frage „Brauchen wir (noch) Führung?“ oder „Welcher Stil ist der richtige?“ verkennt die eigentliche Dynamik von Führung. Sie suggeriert, dass Führung eine binäre Entscheidung sei – an oder aus, autoritär oder frei. Dabei ist Führung nicht (nur) ein persönlicher Stil, sondern ein soziales Phänomen – ein Zusammenspiel aus Kontext, Struktur und Beziehung.


Die zwei Dimensionen: Struktur und Consideration
Schon die klassische Führungsforschung – etwa das Ohio-State-Modell – zeigt, dass Führung im Kern aus zwei Faktoren besteht:

  • Struktur: die Fähigkeit, klare Ziele, Prozesse, Rollen und Orientierung zu geben. Struktur schafft Sicherheit und ermöglicht produktive Zusammenarbeit.
  • Consideration: das Maß an Beziehungsorientierung, Empathie, Vertrauen und Unterstützung im Miteinander. Consideration ermöglicht Motivation, Bindung und Entwicklung.

Diese beiden Dimensionen sind nicht Gegensätze, sondern ergänzen sich. Gute Führung heißt nicht, möglichst wenig oder möglichst viel zu führen, sondern die richtige Balance von Struktur und Consideration im jeweiligen Kontext zu finden.


Führung in der agilen Welt: Verantwortung wird verteilt
In agilen Teams verändert sich der Ort der Führung. Sie ist nicht mehr zwangsläufig an eine disziplinarische Führungskraft gekoppelt, sondern verteilt sich auf Rollen, Kontexte und Situationen. Ein Product Owner gibt Prioritäten und Ziele vor, ein Scrum Master sorgt für die Einhaltung der Prozesse, das Teamklima und Konfliktlösung, ein Entwickler übernimmt technische Führungsaufgaben. Diese Themen sind vornehmlich Strukturelle Führung. Die Augenhöhe in agilen Teams verschiebt den Anteil an Consideration auf alle Rollen und ein miteinander. Die gemeinsame Verantwortung für das Ergebnis, führt dazu, dass jede Rolle Führungsaufgaben wahrnehmen muss.
Führung ist nicht weg – sie ist anders. Sie wandert. Und sie braucht bewusste Gestaltung.


Warum die klassische Führungsfrage ins Leere läuft
Wenn wir heute fragen „Wie viel Führung braucht ein Team?“ oder „Ist dieser Führungsstil noch zeitgemäß?“, übersehen wir das Entscheidende: Die Frage ist falsch gestellt. Nicht der Stil, sondern das Verständnis von Führung muss sich ändern. Es geht nicht um mehr oder weniger Führung, sondern um passende Führung – angepasst an Reifegrad, Kontext, Teamdynamik und Ziel.
Agile Organisationen brauchen also keine „Führung light“, sondern differenzierte, situative, bewusste Führung. Eine Führung, die zwischen Struktur und Consideration balanciert, die nicht zentralisiert, aber auch nicht abdankt. Eine Führung, die begleitet – statt steuert.


Führung passiert nicht einfach – sie muss gelernt werden
Ein bemerkenswerter Unterschied zwischen klassischen und agilen Organisationen liegt in der Vorbereitung auf Führungsrollen. In traditionellen Unternehmen werden Führungskräfte oft gezielt geschult: Leadership-Trainings, Entwicklungsprogramme, Coachings und Mentoring sind Standard. Führung wird als erlernbare Fähigkeit verstanden – und entsprechend gefördert.
In agilen oder selbstorganisierten Strukturen sieht das anders aus. Hier wird Führung zunehmend dezentralisiert – sie entsteht im Team, wird auf Rollen verteilt oder situativ übernommen. Doch die Erwartung, dass Mitarbeiter:innen diese Führungsanteile ganz selbstverständlich und ohne Begleitung übernehmen können, ist oft unrealistisch.
Selbstorganisation ist nicht die Abwesenheit von Führung, sondern ihre Verlagerung. Und auch diese neue Form von Führung braucht Begleitung, Reflexion und Entwicklung. Andernfalls entsteht eine neue Form der Überforderung: Menschen sollen führen, ohne vorbereitet zu sein – und ohne zu wissen, wie.
Gerade weil Führung nicht mehr „von oben“ vorgegeben wird, braucht es heute mehr denn je ein gemeinsames Verständnis davon, was gute Führung ausmacht – und wie man sie lernen kann.

Diese Lücke ist nach meinen Erfahrungen gravierend – und eine der Hauptursachen, warum viele agile Transformationen scheitern oder stecken bleiben.


👉 Es ist an der Zeit, Führung neu zu denken – nicht als Position, sondern als gemeinsame Verantwortung.
Wer begleitet eigentlich in deiner Organisation die Menschen, die heute führen – auch ohne Titel?
Lass uns darüber sprechen, wie Führung in einer agilen Welt wirksam und lernbar wird. Denn Führung passiert nicht von allein. Sie braucht Raum, Reflexion – und manchmal einfach eine gute Frage zur richtigen Zeit. Lass uns darüber sprechen.